ICA Jahreskonferenz: Bericht aus Mexiko-Stadt (Teil 2)

Aktuelles, Allgemein, Kulturpolitik, Öffentlichkeitsarbeit

ein Gastbeitrag von Dr. Bettina Joergens (VdA-Vorstand/Steering Committee / LAV NRW)

Mit dem Veranstaltungsort Mexiko Stadt wurde die diesjährige Jahreskonferenz des International Council on Archives erstmalig in Lateinamerika ausgetragen. Das Motto lautete „Archives, Citizenship and Interculturalism“.

Es ist kein Zufall, dass die Themen des nächsten TAGS DER ARCHIVE (Demokratie und Bürgerechte) und des nächsten Deutschen Archivtags 2018 (Verlässlich, richtig, echt – Demokratie braucht Archive!) ‎damit Berührungspunkte haben. ICA-Präsident David Fricker brachte es in seiner Begrüßung auf den Punkt : „The theme brings together into one programme the most significant professional challenges that we face, including ancestral cultures, human rights, illicit trafficking of documentary heritage, personal data protection, digital systems and interoperability, contemporary legal issues, regional cooperation and disaster recovery.“

ICA-Präsident David Fricker. Foto: Bettina Joergens

Gleichzeitig mit der Die ICA –Konferenz wurde die Jahreskonferenz der lateinamerikanischen Archivorganisation (Latin American Association of Archives, ALA) abgehalten. Deren Präsidentin Mercedes de Vega betonte in ihrer Begrüßung die Notwendigkeit der Kooperation von ArchivarInnen mit Bildungseinrichtungen, Kulturschaffenden und Behörden.
Ohnehin wurde in zahlreichen Beiträgen deutlich, wie sehr professionelle Archivarbeit gerade heute verwoben ist mit Fragen zu Menschenrechten, zur gesellschaftlichen und politischen Bedeutung vom Umgang mit Informationen (und vom Verständnis von „Wahrheit “ und vertrauenswürdigen Informationen) , zu technologischen und rechtlichen Entwicklungen.Insbesondere aus deutscher Perspektive fällt auf, wie wenig noch zwischen Records Management / Schriftgutproduktion und Archivierung und somit zwischen Archiv- und anderen Normen zu differenzieren ist, die Datenschutz und Zugang zu Informationen regeln (was mich bisweilen an die Diskussionen beim diesjährigen Archivwissenschaftlichen Kolloquium erinnerte).

Mercedes de Vega, Präsidentin der American Association of Archives (ALA). Foto: Bettina Joergens

Das wurde auchin den Keynotes deutlich: Frank La Rue aus Guatemala (Assistant Director-General for Communication and Information UNESCO) sprach über „Historic Archives and the Right to the Truth“, Luciana Duranti (Professor of Archival Science at the School of Library, Archival and Information Studies, University of British Columbia (Canada) über „An Infrastructure for Truth: Entrusting Digital Facts to Archival Theory“ und Vinton G. Cerf (Vice-President, Google (EUA)) über „On the Long-Term Presentation of Digital Information“. Obgleich letzterer aufgrund seiner Prominenz die Kameras anzog, war der „Google-Beitrag“ leider wenig innovativ.

Am selben Tag hatte ich die Gelegenheit, an dem Panel „Right to Access Information and Citizenship “ teilzunehmen. Es sprachen unter anderen Maria Patricia Kurzyn Villalobos (INAI Commissioner, Mexico) über „Archives, Access to Information, Transparency, ‎Accountability and Data Protection“, Joan Soler Jiménez (Chair of Association of Archivists of Catalonia (Spain), Mitglied im Steering Committee von SPA) über „Citizen Awareness and Literacy in Records Management and Archives in Catalonia “ und Andrés Segovia Salcedo (Secretary General, Judicial Council (Ecuador) über „The Transformation of the Judicial Files in Ecuador as a Basis for the New Judicial Model“ sowie Sandra George (Research Director of the Investigations Office of the Information Commissioner of Canada).
Dabei ging es weniger um historische Dokumente (anders in dem Vortrag aus Ecuador) als vielmehr um gerade entstandene oder – insbesondere bei dem katalonischen Beispiel – im Entstehen begriffene Unterlagen, z.B. zu Festnahmen bei den Auseinandersetzungen in Katalonien. Aber auch im kanadischen Beitrag über die Durchsetzung des Access to Information Act ( mit quasi Verfassungsstatus) ging es um aktuelle amtliche Unterlagen, deren illegale Vernichtung von dem Investigations Office (…) ermittelt wird. Zurzeit liegt der Fokus auf der Sicherung von Instant Messaging und Emails.

Blick vom Auditorium. Foto: Bettina Joergens

„Are we ready for Big Data?“ war eine zentrale Frage in dem Panel „Archival Big Data and Open Data“, die Wouter Schallier (Head of Library of ECLAC, Chile) stellte. Und er kam zu dem Schluss: „We’re not!“‎ Aber wir sind offenbar einigermaßen auf „not so big data“ vorbereitet, nach Schallier, wenn eine fundierte Datenauswahl und -analyse erfolgen und wenn Metadaten mit sozialen Medien verlinkt würden. Dabei sei ein zentrales Vorgehen einem dezentralen vorzuziehen. Um den Anforderungen von Big Data gewachsenen zu sein, gebe es eine neue Disziplin: „Computational Archival Science“.

Auch der nächste Referent, Fernando Sancho Caparrini (Professor for Computer Science and Artificial Intelligence, University of Seville, Spain) betonte die Notwendigkeit der Datenstrukturierung, von Standards bei der Datenverarbeitung und der Entwicklung neuer Tools, um der aus seiner Sicht neuen Herausforderung von „Multi-Relational Big Data “ begegnen zu können. Dabei müsse man, so Caparrini, auf robuste mathematische Theorien zurückgreifen, um eine gute Methodologie zu entwickeln.

In einem weiteren Vortrag ging es um „A Study on the Description of Corporate Body Transition History Ontology by Using Standard Organization Administration Code and Object Property in OWL / XML „. Dabei erläuterte Hyen Min Kang (Senior Librarian, National Archives, South Korea), wie die Web Ontology Language (OWL) (= Spezifikation des World Wide Web Consortiums, W3C) zur Beschreibung von Archivgut umgesetzt werden kann (etwa mit dem Standard Code Administration Management System, CAMS), ohne das Provenienzprinzips und die überlieferte, originale Ordnung zu verletzen.

Im Anschluss fand die Mitgliederversammlung (General Assembly) statt. Dazu und zu den weiteren Veranstaltungen im nächsten Bericht.

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